<0514053">Germania, fisco, partiti, società, elezioni <0237239">Die Welt 05-07-17
Tina Kaiser e Nikos Späth
Per il settore servizi Zimmermann chiede l’aliquota ridotta del 7% (per contenere il lavoro nero); artigianato, edilizia e settore alberghiero subiscono la pressione della concorrenza dopo l’allargamento della Ue, e non possono permettersi di trasferire l’incremento Iva sui consumatori.
Mehrwertsteuer läßt Händler kalt
Die CDU will die Mehrwertsteuer anheben, um die Lohnnebenkosten zu senken. Es hagelt Kritik. Betroffene Firmen aber sehen die Reform eher als Chance
von Tina Kaiser und Nikos Späth
Viele Freunde hat Angela Merkel sich in den vergangenen Tagen nicht gemacht. Wenn sie Kanzlerin wird, so kündigte sie Anfang der Woche an, will Merkel die Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte anheben, um mit dem Geld die Lohnnebenkosten zu senken. Sofort hagelte es Proteste aus allen Richtungen: "Das kostet Tausende von Arbeitsplätzen", polterte Holger Wenzel, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE). "Keine klare Linie" erkannte Ludwig Georg Braun, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Und IG-Metall-Chef Jürgen Peters warf Merkel einen "Griff in die Tasche von Beschäftigten, Rentnern und Arbeitslosen" vor.
Eine höhere Mehrwertsteuer entzieht nicht nur der Bevölkerung Kaufkraft, sondern schädigt durch den dann niedrigeren Konsum auch Handel, Dienstleistungen und Industrie, so der Vorwurf. Während sich die Verbände und Gewerkschaften aber derart echauffieren, stehen viele der betroffenen Firmen der geplanten Reform nicht so kritisch gegenüber. Vor allem die großen Handelsketten sehen in einer leicht höheren Mehrwertsteuer kaum eine Gefahr, sondern langfristig sogar eine Chance.
"Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ist durchaus vertretbar, aber nur wenn sie mit einer deutlichen Senkung der Lohnnebenkosten einhergeht", sagt etwa Dirk Rossmann , Chef der gleichnamigen Drogeriekette. Auch Hans-Joachim Körber, Chef des größten deutschen Handelsunternehmens Metro, unterstützt Merkels Wahlprogramm. Zwar sei eine höhere Mehrwertsteuer grundsätzlich für den Konsum nicht förderlich. "Wichtiger als diese Steuerfrage ist aus Sicht des Händlers aber, daß die Menschen in Deutschland wieder Klarheit und Zuversicht haben." Nur dann wären die Kunden langfristig auch bereit, mehr Geld auszugeben.
Das ist das Kalkül des Merkel-Plans: Die hohen Lohnnebenkosten sind einer der größten Wettbewerbsnachteile dieses Landes. Sinken sie, verbilligt sich der Faktor Arbeit. Langfristig sollen dadurch positive Wachstums- und Beschäftigungseffekte folgen. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung entstehen rund 300 000 neue Jobs, wenn die Lohnnebenkosten um zwei Prozentpunkte sinken. Alle diese Menschen würden dann mehr Geld ausgeben und den Konsum beleben.
Eine Finanzierung über die Mehrwertsteuer liegt nahe. Schließlich erhebt Deutschland mit 16 Prozent bislang hinter Luxemburg und Zypern den niedrigsten Satz in der Europäischen Union. Spitzenreiter sind Dänemark, Schweden und Ungarn mit jeweils 25 Prozent.
Das Argument, eine erhöhte Konsumsteuer dämpfe die ohnehin schwächelnde Binnenkonjunktur, läßt Klaus Zimmermann, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft (DIW), ohnehin nicht gelten. "Die Mehrwertsteuererhöhung wird nicht zu weiterer Kaufzurückhaltung führen", sagt er. Weniger als heute könnten die Deutschen schlicht nicht konsumieren. So lange es nicht zu tiefgreifenden Strukturverbesserungen komme, blieben konjunkturbelebende Maßnahmen wirkungslos.
Beleg dafür ist die letzte Stufe der Steuerreform. Um acht Milliarden Euro entlastete die amtierende Regierung die Bürger allein zu Beginn dieses Jahres. Ein Effekt blieb jedoch aus. Andersherum zeigt ein Blick in die Vergangenheit, daß Mehrwertsteuererhöhungen nicht zu Konsumeinbrüchen geführt haben.
Trotzdem ist die Sorge in manchen Branchen verständlich. Denn kurzfristig sind die meisten Unternehmen nicht in der Lage, die Steuer auf die Preise aufzuschlagen. Zum einen fürchten sie entgegen der Ökonomenmeinung, die Konsumlust der Verbraucher weiter zu dämpfen. "Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um zwei Prozent würde den durchschnittlichen Neuwagen
preis um 500 Euro verteuern", sagt etwa Bernd Gottschalk, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie. "Eine solche Preissteigerung läßt sich am Markt nicht durchsetzen – mit allen Folgen für Hersteller und Zulieferer." Allein der zusätzliche Kaufkraftentzug an der Tankstelle würde sich pro Jahr auf 700 Millionen Euro belaufen. "Woher soll der Autofahrer bei diesen Benzinpreisen das Geld dafür nehmen", fragt Gottschalk.
Zum anderen spielen technische Probleme eine Rolle. So kann zum Beispiel ein fester Schwellenpreis eines Oberhemds nicht einfach von 19,99 Euro auf 20,39 Euro erhöht werden. Gerade der seit Jahren mit rückläufigen Umsätzen kämpfende Einzelhandel fürchtet daher eine höhere Mehrwertsteuer. "Bei vergangenen Erhöhungen hat es bis zu drei Jahre gedauert, bis wir die höheren Steuern an unsere Kunden weitergeben konnten", sagt HDE-Chef Wenzel.
Die Differenz müßte dann zumindest teilweise von den Unternehmen getragen werden. Dadurch würde die Konsumsteuer zu einer zusätzlichen Gewinnsteuer, welche die ohnehin niedrigen Renditen von teilweise unter zwei Prozent weiter drücken könnte.
Mehr Grund zur Sorge indes hat der Dienstleistungssektor. Handwerk, Baubranche sowie Hotel- und Gaststättengewerbe stehen spätestens seit der EU-Osterweiterung unter einem extrem harten Wettbewerbsdruck. Diese Branchen wären wohl kaum in der Lage, die Steuererhöhungen an ihre Kunden weiterzugeben. Schon jetzt ist die Schattenwirtschaft im Dienstleistungssektor hoch. Mehrbelastungen könnten die Schwarzarbeit noch steigern.
DIW-Chef Zimmermann fordert deshalb für den Dienstleistungssektor den reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent. "Das würde die Schwarzarbeit eindämmen, was auch den Staatseinnahmen zugute käme." Laut einer Untersuchung des Instituts für Mittelstandsforschung würden so mehr als 250 000 neue Jobs entstehen.
Über die Logik einer solchen Ermäßigung kann zwar gestritten werden. In jedem Fall dürfte sie jedoch mehr Sinn ergeben als viele andere Ausnahmen, die historisch gewachsen sind oder von Lobbyistengruppen erstritten wurden. Komplett von der Steuer befreit sind 28 Sondergruppen. Dazu zählen Briefmarken, Mieten, Versicherungsgeschäfte oder Arzthonorare. Für 54 Produktarten gilt ein "halber" Steuersatz von sieben Prozent. Seit 1983 ist er nicht mehr gestiegen, obwohl der volle Satz 1993 und 1998 um jeweils einen Prozentpunkt auf 16 Prozent angehoben wurde. So sind Lebensmittel, Bücher und Zeitungen, Bus- und Bahnfahrten bis 50 Kilometer sowie Eintrittskarten für Theater, Orchester, Museen oder Kinos nur mit sieben Prozent belastet.
Im Detail wird es abstrus: Auf einen Apfel werden sieben Prozent aufgeschlagen, auf Apfelsaft dagegen 16 Prozent. Ein Hamburger bei McDonald’s am Tisch wird höher besteuert als im Außer-Haus-Verkauf. "Wir haben jede Menge Subventionstatbestände, die obsolet geworden sind", sagt Rolf Kroker, Leiter des Bereichs Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW). "Das ganze System gehört auf den Prüfstand." Zudem sei es nicht konsequent, daß der ermäßigte Satz bei Mehrwertsteuererhöhungen nicht angehoben wurde – auch Angela Merkel will ihn nicht antasten. Der Mut der designierten Kanzlerin, so scheint es, ist begrenzt. Zumindest darin ähnelt sie den meisten ihrer Vorgänger.
Artikel erschienen am 17. Juli 2005 © WAMS.de 1995 – 2005