Germania, mercato lavoro, Land orientali, bassi salari Die Welt 06-04-30
Lavoro a tempo pieno per 500 Euro al mese
[Tesi Die Welt sul
salario minimo: porterebbe al fallimento in particolare di numerose Pmi dell’Est]
Circa 6 milioni di lavoratori tedeschi guadagnano meno di 5 euro
lordi l’ora.
La media [salariale?] mensile è di €2626 nei Land occidentali
e di €1960 in quelli orientali.
Nei Land orientali la quota di bassi salari è il doppio di
quella dei Land occidentali; la disoccupazione è in diverse aree al 20%.
– Il
reddito orientale, salito 10 anni fa’ all’87% di quello occidentale, nel 2002 è
sceso all’82%.
– È
cresciuta la dipendenza dai trasferimenti statali; quasi il 40% del bilancio
statale va ad integrare i redditi delle famiglie dell’Est, con tendenza in aumento.
– A
Lipsia 1 famiglia su 3 ha un reddito inferiore a ¾ della media.
Nei Land occidentali 1/8 dei lavoratori riceve meno del 60%
del salario medio.
Il sindacato chiede l’istituzione del salario minimo, con €7,50/h, con
40 h/settimana pari a €1200 mensili.
Die Welt 06-04-30
Vollzeitjob
für 500 Euro im Monat
Am Tag der
Arbeit trommelten die Gewerkschaften wieder für Mindestlöhne. Was denken
Menschen darüber, die heute für Stundenlöhne unter fünf Euro arbeiten wie
Hunderttausende in Ostdeutschland. Ein Streifzug durch ein Niedriglohnland.
von Jana Hensel in
Leipzig
Die Sächsische
Wach- und Schließgesellschaft liegt in einer kleinen Straße im Leipziger Osten.
Am Rand parken Autos. Kindergartenkinder übertönen das Frühlingsgezwitscher der
Vögel. In dieser Idylle lagern in einem Hof Millionen Euro – transportiert und
bewacht von Angestellten, die oft nur fünf Euro in der Stunde verdienen. Die Leipziger Idylle liegt mitten im
Niedriglohnlahn Ostdeutschland.
Gilbert Balke
schaut ein wenig schlitzohrig, wenn er von dem Depot hinter der Eisentür
erzählt, auf das er Besucher nur von fern einen Blick werfen läßt. Seit 15
Jahren führt er das Unternehmen, das seine Idee war und als Joint Venture gegründet
wurde, als Geschäftsführer. Balke hat 300
Angestellte und ungefähr 150 Aushilfskräfte, die im Objektschutz arbeiten,
Veranstaltungssicherheit, Kurierdienste, Geld- und Werttransporte,
Empfangsdienste erledigen und in der Regel fünf Euro in der Stunde verdienen. Fünf Euro brutto.
–
Immer mehr Menschen arbeiten hierzulande für sehr
wenig Geld. In Deutschland sind es sechs Millionen, sagen die Gewerkschaften.
–
In
Leipzig muß beinahe jeder
dritte Haushalt mit weniger als drei Viertel des Durchschnittseinkommens auskommen.
–
Dieser
Durchschnitt liegt für
Arbeiter derzeit bei monatlich 2626 Euro im Westen und 1960 Euro im Osten.
–
Gemessen
an ihrem Anteil an der Bevölkerung gibt es im Osten doppelt so viele Niedriglohnbezieher wie im Westen.
–
Aber auch dort, in der alten Bundesrepublik,
verdient inzwischen jeder
achte weniger als 60 Prozent des Durchschnittsverdienstes.
–
Dies
sei ein Skandal, finden die
Gewerkschaften. Sie fordern
immer lautstärker gesetzlich festgelegte Mindestlöhne. Niemand soll weniger als
7,50 Euro in der Stunde verdienen. Das würde bei einer Arbeitszeit von 40 Stunden einen Monatslohn
von 1200 Euro ergeben.
–
Viele
Ökonomen, fast alle Arbeitgeber und bisher auch die meisten
Politiker winken hingegen ab: Mindestlöhne
würden Arbeitsplätze vernichten. Gerade im Osten könnten viele Firmen
die höheren Löhne wahrscheinlich nicht bezahlen. Was aber sagen die Betroffenen
dazu?
Unternehmer
Balke ist 54, Ökonom und ein bescheidener und höflicher Mensch. Genauso lange,
wie er jetzt das Wachunternehmen leitet, hat er in der DDR auf dem "Amt
für Arbeit" gearbeitet und Werktätige dorthin geschickt, wo sie gebraucht
wurden. Winters von der Maschine in die Kohle, sommers von der Kohle in die
Limonadenfabrik. Der Mensch habe für ihn im Mittelpunkt gestanden, sagt er. Blickt
er nun auf die Zeit nach dem Mauerfall 1989 zurück, ist er sicher, "den
Anfang würde ich noch einmal wagen, ja". Dann aber bricht er den Satz ab
und beendet ihn nicht.
Sein wichtigster Kunde ist der Staat, den er als
"Münteferings Truppe" bezeichnet. Sie ist aber auch sein größter
Gegner, weil öffentliche Auftraggeber wegen ihrer leeren Kassen die Preise
drücken. Erst vor kurzem
habe ein langjähriger städtischer Kunde seine Mitarbeiter für ein anderes
Unternehmen abgeworben, weil der Kunde mit ihrer Arbeit zufrieden war. Und dann
habe er der anderen Firma den gleichen Auftrag für ein paar Cents weniger
erteilt.
"In
meinem Beruf gibt es wenig Erfolgserlebnisse", sagt Balke und jammert
dabei nicht. Von 100 Wach- und Schließunternehmen kurz nach der Wende kämpfen
noch immer 60 auf einem Markt, der längst eigenen Gesetzen folgt. "Wenn
ich ein seriöses Angebot mache, kann ich sicher sein, daß ich den Auftrag nicht
bekomme", sagt Balke. Er will seine Leute aber nach Tarif bezahlen. Er
weiß von anderen, die ihre Mitarbeiter für 4,20 Euro losschicken.
Von dieser
Wirklichkeit ist die Bundespolitik weit entfernt. So weit, daß Gilbert Balke
gar nicht ernsthaft über einen Mindestlohn nachdenken will. "Der kommt
nicht", ist seine knappe Antwort.
Schon die
Diskussion um die höhere steuerliche Absetzbarkeit von Erziehungs- und Handwerkskosten
in Privathaushalten war für ihn ein rein westdeutsches Problem. Dort mag es
auch so sein, daß im Niedriglohnsektor vor allem Geringqualifizierte Arbeit
finden. Im Osten jedoch, wo
vielerorts jeder fünfte arbeitslos ist, gibt es ausreichend viele
Menschen, die jeden Job annehmen würden, nur um nicht zu Hause zu bleiben. Fast
alle seiner Wachleute haben eine abgeschlossene Berufsausbildung.
Im Gegensatz
zu seinem Chef darf man sich Frank Schnabel als einen glücklichen Arbeitnehmer
vorstellen. Der gelernte Schlosser betreut die Zentrale der "Säggs’schen",
wie er seine Firma kurz nennt, und koordiniert dort die Außeneinsätze seiner
Kollegen.
20 Tage im
Monat sitzt er für fünf Euro jeweils zwölf Stunden vor zwölf Bildschirmen und
verdient dabei 1200 Euro im Monat. Er hat ein Auto, fährt einmal im Jahr in den
Urlaub, das letzte Mal nach Kroatien. Ab und zu geht er mit seiner Frau, die
auch berufstätig ist, essen, auch ins Kino oder ins Kabarett. "Ist alles
drin. Was will ich mehr", sagt er und ist froh, "nicht aufs Amt gehen
und dort mein Geld abholen zu müssen". Sein 18jähriger Sohn macht gerade
eine Ausbildung und wird in absehbarer Zeit auf eigenen Beinen stehen.
Natürlich
würde Schnabel gern mehr verdienen. Wer will das nicht? Da ein Mindestlohn in
Ostdeutschland aber viele, vor allem mittelständische Dienstleister, in den
Ruin treiben würde, ist Schnabels Rechnung glasklar: "Es bringt mir
nichts, zwei oder drei Monate lang 1500 Euro zu haben und dann hinterher auf
der Straße zu sitzen."
–
Gutbezahlte
Arbeit ist im Osten Mangelware. Deshalb nehmen die Einkommen hier wieder kontinuierlich ab. Wurden vor
zehn Jahren noch 87 Prozent des West-Niveaus erreicht, fiel die Quote bis zum
Jahr 2002 auf 82 Prozent zurück.
–
Im Gegenzug
erhöhte sich die Abhängigkeit
von staatlichen Transferleistungen. Fast
40 Prozent steuert der Staat inzwischen zum Einkommen der ostdeutschen
Haushalte bei, Tendenz: eindeutig steigend.
–
"Der Mindestlohn ist Ermordung von
Betrieben. Mindestens ein
Drittel aller sächsischen Friseurbetriebe wäre pleite", erregt sich auch
Klaus Peter Schirmer. Der Friseurmeister, der an der Berliner
Humboldt-Universität Pädagogik studiert hat, ist eines der seltenen Exemplare
eines mitteldeutschen Traditionsunternehmers. Seit 1911 ist seine Familie im
Friseurgewerbe tätig. Nach dem Mauerfall besaß sie sechs Läden. Heute führt
Schirmers Frau einen letzten, während er selbst nahe Leipzig eine Berufsschule
gegründet hat und Gesellen zum Meister ausbildet.
Eine Friseurin verdient in Sachsen laut
Tarifvertrag 4,69 Euro in der Stunde. Das ergibt einen Monatslohn von 755 Euro,
hinzu kommen Leistungsgeld und Trinkgeld. "Unser Tariflohn ist bereits ein
Mindestlohn", sagt
Schirmer als Obermeister der Leipziger Innung und meint diesen Satz nicht
witzig.
Ein Mann kann als normaler Friseur ohnehin nicht leben,
eine Frau ist abhängig von ihrem besser verdienenden Ehemann. Nur auf diese Art aber kann auch der
kleine Friseurladen an der Ecke überleben.
Es sieht im
Osten so aus, als spiele die immer gleiche Frage gar keine so große Rolle mehr:
Wieviel Geld braucht der Mensch, um glücklich zu sein? Ein sinnstiftender Platz
innerhalb der Gesellschaft ist längst zur wichtigsten Größe geworden. Und da es
von diesen Plätzen nicht mehr viele gibt, zahlen die, die bleiben wollen, fast
jeden Preis dafür.
Die
Altenpflegerin Jacqueline Göhricke ist eine hübsche junge Frau mit kurzen
blonden Haaren. Sie hätte in "Sommer vorm Balkon" von Andreas Dresen
die Hauptrolle spielen können. Sein Erfolgsfilm über eine Altenpflegerin wurde
für den authentischen Blick auf eine neue soziale Wirklichkeit gelobt und ist
sechsmal für den Deutschen Filmpreis nominiert. Jacqueline Göhricke findet 500
Euro einen "lebenswerten Betrag". Nach Abzug einer kleinen Miete,
Strom-, Telefon- und Wasserkosten bleiben der 30jährigen monatlich 300 Euro.
So fährt sie
Fahrrad, kocht ihr Essen selbst, kauft die Flasche Wein für drei oder vier Euro
und lädt die Freundinnen zu sich nach Hause ein. Eine Bahnfahrkarte zu
Verwandten nach Heidelberg, die sie sich gerade für 148 Euro gekauft hat, weil
es keine Mitfahrgelegenheit gab, schlägt sehr zu Buche.
Trotzdem liebt
sie ihre Arbeit, kann sich "nichts anderes vorstellen". Wenn es an etwas
fehle, dann an Erfolgserlebnissen im Beruf. Es kommt eben selten vor, daß, wie
gerade, eine ihrer Patientinnen nach 14 Jahren in ihrer Wohnung wieder einen
Schritt auf die Straße wagt. Normalerweise pflegt sie die alten Menschen bis
zum Schluß.
Jacqueline
Göhrickes größter Wunsch wäre ein Kind, auch wenn sie weiß, daß sie es sich
eigentlich nicht leisten kann. "Wenn ich in meiner jetzigen Situation darüber
nachdenke, müßte ich kinderlos bleiben", sagt die junge Frau. Und so vermeidet
sie es, sich über ihre Zukunft allzu viele Gedanken machen zu müssen.
Unter anderen
Umständen könnte man das als Verdrängung bezeichnen, im Osten jedoch ist es
gnadenlos realistisch. Artikel erschienen am 30. April 2006 © WAMS.de 1995 –
2006