Iran – Ein Schlag gegen die Mullahs?

 

Germania, Iran,
Linke, partiti

Faz         06-02-19

            Iran – Ein Schlag gegen die Mullahs?

Von Christiane
Hoffmann

19. Februar
2006 – SPD-Chef Platzeck will
sie vom Tisch haben, die Kanzlerin aber will sie – und sei es nur als
Drohkulisse – zumindest nicht ausschließen: Militärschläge gegen iranische
Atomanlagen.
Bis jetzt
ist, so die übereinstimmende Ansicht aller Beteiligten, die Diplomatie nicht am
Ende.
Für den Fall aber, daß es dahin kommen sollte, werden im
amerikanischen und israelischen Verteidigungsministerium bereits seit längerem
konkrete Pläne entwickelt.

Wer würde
Militärschläge ausführen, welche Risiken bergen sie? Eine Invasion in Iran
zieht niemand ernsthaft in Erwägung.
Vielmehr ginge es darum, mit gezielten
Luftschlägen möglichst viele der Atomanlagen zu zerstören. Anders als bei der
Zerstörung des irakischen Atomreaktors in Osirak 1981 durch die israelische
Luftwaffe müßten in Iran in einer mehrtägigen, womöglich mehrwöchigen, Kampagne
eine Vielzahl zum Teil unterirdischer Anlagen getroffen werden.

Mehrere
Dutzend Ziele

Der Einsatz
würde vermutlich mit Langstreckenbombern von den Vereinigten Staaten und dem
Stützpunkt Diego Garcia im Indischen Ozean aus geflogen sowie mit
Kampfflugzeugen und Cruise missiles
von der 5. Flotte im Persischen Golf. Die Nutzung der amerikanischen Militärbasen in der Region, im Irak, der
Türkei, Afghanistan und in den Anrainerstaaten des Persischen Golfs dürften die
Regierungen dort dagegen nicht gerne sehen.

Die Angriffe
könnten sich gegen mehrere Dutzend Ziele richten, darunter die
Konversionsanlage in Isfahan, die Anreicherungsanlage in Natanz, den
Schwerwasserreaktor in Arak sowie einen Forschungsreaktor und verschiedene
Labors in Teheran
. Und: „Militärschläge wären wahrscheinlich nicht auf
die nukleare Infrastruktur beschränkt
, sondern würden sich auch gegen
die Marine, Luftabwehr und Luftwaffe richten
, um mögliche iranische Vergeltungsmaßnahmen
zu verhindern”, sagt Michael Eisenstadt, Militärfachmann des Washington
Instituts für Nahost-Politik.
Zerstören könnte man das Nuklearprogramm nicht, Ziel wäre eine Verzögerung,
„schätzungsweise um zwei bis fünf Jahre”, so Eisenstadt
. Die Erfolgsaussichten
werden besonders dadurch geschmälert, daß die iranischen Atomanlagen,
vor allem die Produktionsorte für die zur Anreicherung nötigen Zentrifugen, nicht
alle bekannt sind
.

Auch
Wissenschaftler im Visier?

Weil ihr
Atomprogramm, wie es in Iran heißt, „nicht wie das libysche in Containern
verpackt in der Wüste steht, sondern sich in den Köpfen von Tausenden unserer
Spezialisten befindet”, müßte es zudem darum gehen, auch möglichst viele
iranische Wissenschaftler zu treffen
. Da zudem einige der Atomanlagen in dichtbesiedelten
Gebieten liegen, wären Hunderte, wenn nicht – wie ein Bericht der Oxford
Research Group prophezeit – Tausende von Toten die Folge.

Auch ist zu
befürchten, daß im Falle einer militärischen Konfrontation diejenigen in der
iranischen Führung die Oberhand gewinnen, die eine Atombombe für den einzig
wirksamen Schutz gegen weitere militärische Übergriffe halten
. Mit den
verbliebenen Teilen seines Programms würde die islamische Republik dann den Bau
der Bombe massiv vorantreiben – ohne internationale Kontrolle.

Äußerste
Zurückhaltung

Nicht zuletzt
angesichts der Bilanz von Risiken ist die Regierung Bush mit der Androhung von
Militärschlägen bisher äußerst zurückhaltend umgegangen. Aufhorchen ließ die
Äußerung des republikanischen
Senators und möglichen Präsidentschaftskandidaten für 2008, John McCain, es
gebe nur eines, was schlimmer sei als die militärische Option: ein nuklear
bewaffnetes Iran
. Und auch in Israel, wo Verteidigungsminister Mofaz
warnte, man werde „unter keinen Umständen Nuklearwaffen in iranischem Besitz
dulden
”, hofft man zwar, daß eine Militäroperation vermieden werden kann,
ist aber darauf vorbereitet – schlimmstenfalls im Alleingang.

Israel
befürchtet Vergeltungsmaßnahmen der Hizbullah, möglicherweise auch eine Auseinandersetzung
mit Syrien. Washington ist
– neben der Angst vor Terroranschlägen – vor allem besorgt, daß Teheran seine
weitreichenden Einflußmöglichkeiten im Irak dazu nutzen könnte, massiv den
Widerstand gegen die Amerikaner zu schüren.
Weniger schwer dürfte ein
weiterer Ansehensverlust der Amerikaner in der islamischen Welt wiegen. Wirtschaftlich wäre ein dramatischer
Anstieg des Ölpreises zu befürchten, selbst wenn Iran seine Drohung nicht wahrmachen
sollte, die Straße von Hormuz zu schließen, durch die ein Viertel der globalen
Ölversorgung ihren Weg nimmt.

In Iran, so
wird angenommen, würde ein
Angriff die Reihen des Regimes noch fester schließen
und in einer
nationalistischen Aufwallung auch die unzufriedenen Teile der Bevölkerung
hinter dem Regime scharen. Möglich
wäre aber auch, daß es zur Meuterei käme: entweder durch die pragmatischeren
Kräfte im Regime oder durch jene Iraner, die nicht auch noch den Kopf für die
Atompläne des Regimes hinhalten wollen.
Die Unwägbarkeit der Folgen ist daher das größte Risiko
von Militärschlägen. Was als begrenzte militärische Operation gedacht ist,
könnte sich zu einer Konfrontation auswachsen, die, wie man in Washington
fürchtet, „lang und häßlich” werden könnte.

Text:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 19.02.2006, Nr. 7 / Seite 11


Faz         06-02-17

Atomstreit –
Lafontaine nimmt Iran in Schutz

17. Februar
2006 – Im Bundestag haben alle
Parteien mit Ausnahme der Linken eine entschlossene Haltung Deutschlands im
Atomstreit mit Iran gefordert. In der Debatte am Freitag unterstützten Redner
der vier Fraktionen das Vorgehen der Bundesregierung, Teheran gemeinsam mit
internationalen Partnern zum Einlenken zu bewegen. Der Fraktionsvorsitzende der
Linkspartei Oskar Lafontaine hat die iranische Führung dagegen in Schutz
genommen.

Lafontaine
sagte am Freitag im Bundestag an die Adresse der Atommächte, man könne nicht
durch mangelnde Abrüstung den Atomwaffensperrvertrag brechen und zugleich von
Iran fordern, auf die Atomtechnik zu verzichten.

Lafontaine:
Klar, daß Iran die Bombe will

„Die
Anreicherung von Uran ist ausdrücklich im Atomwaffensperrvertrag erlaubt”,
sagte Lafontaine, der zudem einen „fairen Umgang” mit dem Land forderte. Lafontaine
sagte, es sei klar, daß Iran Atomwaffen besitzen wolle, weil die Führung
glaube, nur so nicht Gefahr zu laufen, von den Vereinigten Staaten angegriffen
zu werden.

Die
Europäische Union, die Vereinigten Staaten und weitere Länder wollen
verhindern, daß Iran eigene Atomwaffen entwickeln kann. Irans Präsident Mahmud
Ahmadineschad hatte mehrfach den Holocaust geleugnet, Israel mit Vernichtung
gedroht und die Spannungen dadurch weiter angeheizt.

Nachdem
Deutschland, Frankreich und Großbritannien ihre Verhandlungen mit Iran im
Januar für gescheitert erklärt hatten, rief die Internationale
Atomenergiebehörde (IAEA) den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen an, um den
Druck auf Teheran zu erhöhen. Vor einer Sitzung des Gremiums sind noch
weitere Gespräche in der IAEA sowie zwischen Iran und Rußland geplant.

„Keine
militärische Option im Spiel”

Nach den Spannungen in der SPD und innerhalb der
Koalition über die deutsche Haltung stellte sich der SPD-Außenpolitiker Rolf
Mützenich für seine Partei ausdrücklich hinter die Aussagen Merkels.
Er sagte: „Kein Mitglied der
Bundesregierung hat eine militärische Option ins Spiel gebracht.”

Zuvor hatten der SPD-Vorsitzende Matthias Platzeck und
weitere führende Sozialdemokraten Frau Merkel indirekt vorgeworfen, sie habe
durch eine Parallele zwischen Iran und Nazideutschland die Tür für eine
militärische Option geöffnet.
Die Union hatte diese Kritik als schädlichen Versuch der parteipolitischen
Profilierung zurückgewiesen.
Auch in der SPD waren darüber Meinungsverschiedenheiten
deutlich geworden.

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