<0514051">Germania, società, partiti, elezioni <0237236">Die Welt 05-07-17
Kinder, Kinder, Kinder
Cornelia Schmergal
Lange Jahre führte die Familienpolitik ein Schattendasein im politischen Alltag. Jetzt aber wollen alle Parteien mit neuen Wohltaten für Familien punkten
Es war das Duell der Gattinnen. Im Bundestagswahlkampf 2002 schien es, als machten die Spitzenkandidaten nur deshalb Familienpolitik, um ihre Ehefrauen auf einem Wahlplakat präsentieren zu können. Kanzler Gerhard Schröder zeigte sich mit geschäftiger Gattin Doris im dunklen Business-Hosenanzug, die an seiner Seite Akten studiert: "Wie wichtig es ist, daß Frauen Kinder und Karriere vereinbaren können, höre ich jeden Tag. Zu Hause", hieß der Slogan darunter. Die Union inszenierte ihren Kandidaten Edmund Stoiber im Grünen, wie er zart die Schultern seiner Frau Karin im Strickjäckchen umfaßte, und titelte schlicht "Die Stoibers".
Zwischen den Zeilen steckte die Botschaft: berufstätige Mutter gegen Vorzeige-Hausfrau. Lebensentwurf progressiv gegen konservativ. Wenn die Parteien jemals mit unterschiedlichen Frauenbildern spielten, dann auf diesen Wahlplakaten im Jahr 2002.
Drei Jahre später, im Wahlkampf 2005, ist alles anders. Für die Union tritt eine Frau an, deren Mann bislang kaum jemand kennt (schon gar nicht von Plakaten). Gerhard Schröder rechnet nicht damit, nach dem 18. September im Kanzleramt Akten zu studieren. Und die Familienpolitik, die jahrelang ein Schattendasein fristete, soll plötzlich ganze Wählerscharen mobilisieren. Kinder, Kinder.
Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel forderte nicht nur "Vorfahrt für Arbeit", sondern auch "Zukunft für Familien" ein, als sie das Wahlprogramm von CDU und CSU vorstellte. Dabei unterschied sie sich kaum von Kanzler Gerhard Schröder, der die Familie neben Arbeitsmarkt- und Außenpolitik inzwischen als wichtigstes Politikfeld identifiziert hatte , nachdem sie ihm früher einmal nur als "Gedöns" galt.
Schnöde Reformpolitik ist die bittere Pflicht, Familienpolitik ist die Kür im Wahlkampf, denn hier gibt es etwas zu verteilen: Die Union will Familien mit Steuererleichterungen und Zuschüssen zum Rentenbeitrag pampern. Die SPD will Akademikerinnen mit einem lohnabhängigen Elterngeld die Babypause versüßen.
Traditionell habe die Union beim Thema Familienpolitik zwar die größere Glaubwürdigkeit, analysiert Klaus-Peter Schöppner, Chef des Meinungsforschungsinstitutes Emnid. Allerdings hinterlasse ihr "familienorientiertes Konzept bei manchen den Eindruck von antiquiert".
Rot-Grün habe es geschafft, "einen Paradigmenwechsel hinzubekommen: Familienpolitik als Politik für berufstätige Frauen und Alleinerziehende", sagt Schöppner. Und so lauert hinter jedem Programm die Frage, was frau in den Augen der Politiker sein soll: Hausfrau? Karrierefrau? Beides?
Für die SPD ist die "Vereinbarkeit von Beruf und Familie" wichtigstes Sujet, deswegen schmückt sich die Partei mit dem Ausbau von Krippenplätzen. Auch die Wirtschaft signalisiert Unterstützung. Der Ausbau der Kinderbetreuung müsse Vorrang haben, sagt Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt: "Solche Einrichtungen helfen Eltern, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren, und erleichtern eine frühe Rückkehr an den Arbeitsplatz nach der Geburt eines Kindes."
Die Union will vor allem die Familie als Lebensmodell schützen, deshalb setzt sie auf Finanzspritzen und muß sich von der Konkurrenz vorwerfen lassen, die klassische Hausfrauen-Ehe zu fördern : Freibeträge lohnen sich vor allem, wenn nur ein Partner voll arbeitet.
Doch auf den zweiten Blick ist die Union moderner, als die SPD behauptet. So will die CDU mit der Gesundheitsprämie die beitragsfreie Mitversicherung der Ehefrau in der Krankenversicherung abschaffen. Das bisherige Modell zementiere das Einverdienermodell in der Familie, erklärt Niedersachsens Gesundheitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die im Falle eines Unions-Wahlsieg als Familienministerin gehandelt wird. Heute bleiben viele Frauen zu Hause, weil sie bei einer vollen Stelle Sozialabgaben zahlen müßten, über ihren Mann aber kostenlos versichert sind, wenn sie nicht arbeiten.
Ihr Programm hat die Union zwar längst verabschiedet, doch die Partei ringt weiter um den Kurs. Frauenunions-Chefin Maria Böhmer fordert die steuerliche Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten. Ursula von der Leyen will das Kindergeld von 154 auf 200 Euro für alle erhöhen. Kosten: rund acht Milliarden Euro. "Das darf nicht durch Verschuldung erfolgen, deshalb müssen wir in einem ersten Schritt die Konjunktur beleben, um in einem zweiten das Kindergeld erhöhen zu können&
quot;, so von der Leyen. Im Programm finden sich diese Vorschläge nicht – zu teuer, befanden die Männer in der Runde.
"Geld allein bringt sowieso nichts", sagt der Mainzer Politikwissenschaftler Jürgen Falter. Seit Jahren stecke der deutsche Staat zweistellige Milliardenbeträge in die Familienpolitik. Die Geburtenrate sei trotzdem "um keinen Millimeter" gestiegen. Viel wichtiger sei es da, das Denken in der Gesellschaft zu verändern. "Kinder zu haben muß wieder als etwas Wertvolles gelten." Dazu bräuchte es auch Vorbilder. Wie wäre es mit Kanzler und Kandidaten?
Artikel erschienen am 17. Juli 2005 © WAMS.de 1995 – 2005