America Latina, Venezuela, energia, Usa Die Welt 05-08-18
Die Welt 05-08-18
Chávez nutzt sein Öl als Waffe gegen die USA
Venezuelas Präsident will die Supermacht erpressen und liebäugelt mit fremden Absatzmärkten
von Hildegard Stausberg
Berlin – Die seit langem schon angespannten Beziehungen zwischen den USA und Venezuela haben sich weiter verschlechtert: Der venezolanische Erdölminister Rafael Ramirez warnte die Regierung von Präsident George W. Bush nun davor, die Erdöllieferungen einzustellen, sollten die "permanenten amerikanischen Aggressionen gegen Venezuela" nicht gestoppt werden. Das Land liefert den Vereinigten Staaten zur Zeit 1,5 Millionen Faß täglich und ist damit nach Mexiko für die Amerikaner der zweitwichtigste lateinamerikanische Lieferant.
Allerdings verfügt Venezuela mit Abstand über die größten Öl- und Gasreserven der Region. In den letzten Monaten ist es dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez im Übrigen gelungen, vollständig die Kontrolle über die staatliche Erdölholding PDVSA (Petroles de Venezuela Sociedad Anonima) zu übernehmen: Das Unternehmen hat seine institutionelle Eigenständigkeit eingebüßt und untersteht nun direkt dem Präsidenten. Dieser hat die bisher gesetzlich geregelte Rücklagenbildung durch den Erdölverkauf ebenso aufgehoben wie die Unabhängigkeit der venezolanischen Zentralbank, die ihm erst vor kurzem sechs Milliarden Dollar zur Bildung eines "Entwicklungsfonds" zur Verfügung stellen mußte. Bei einem Preis von über 60 Dollar pro Faß verfügt Chávez damit über ein schier unbegrenztes finanzielles Polster für seine aktive "Öl-Diplomatie". Bei seiner erst wenige Tage zurückliegenden Reise in den südlichen Teil des Subkontinents setzte er seine "Finanzspritzen" sehr geschickt ein: Uruguay will er Erdöl zu günstigen Konditionen liefern, in Argentinien läßt er Tankschiffe bauen und kauft dort, wie auch in Ecuador, einen Teil der Staatsschulden auf. Schon im Frühjahr hatte Chávez mit den meisten Ländern Mittelamerikas und der Karibik verbilligte venezolanische Öllieferungen vereinbart. Fidel Castro, seinem engsten politischen Verbündeten, liefert er täglich 90 000 Faß. Dafür arbeiten mehr als 20 000 kubanische Ärzte und Sporttrainer in Venezuela.
Chávez erfreut sich weiterhin großer Beliebtheit unter den Ärmeren Bevölkerungsschichten des Landes, sein markanter Antiamerikanismus findet nicht nur dort Zustimmung, sondern auch in vielen anderen lateinamerikanischen Ländern. Erst vor wenigen Tagen hatte Chávez die Amerikaner wieder einmal gereizt, als er den Mitarbeitern der amerikanischen Antidrogenbehörde DEA den Diplomatenstatus aberkannte und zum Verlassen des Landes aufforderte. Die DEA ist – mit Ausnahme Kubas – in allen Ländern Lateinamerikas tätig. Die Ausweisung war eine Antwort auf die amerikanische Weigerung, sechs Mitarbeitern der venezolanischen Nationalgarde – darunter zwei Generäle – US-Visa zu geben.
Chávez behauptete in seiner sonntäglich ausgestrahlten Fernsehsendung "Alo Presidente", Washington schmiede ein Mordkomplott gegen ihn, eine Behauptung, die er schon mehrfach erhoben hat, ohne Beweise dafür liefern zu können. Außerdem behauptet er, Beweise dafür zu haben, daß die Amerikaner bei dem Versuch, ihn in den Ostertagen des Jahres 2003 abzusetzen, die Finger im Spiele hatten.
Minister Ramirez hatte behauptet, daß es für Venezuela kein Problem sei, andere Absatzmärkte zu finden, so etwa China. Venezuela werde jedenfalls "seine Rechte" verteidigen. Damit spielte er an auf die wachsenden Auseinandersetzungen zwischen in Venezuela tätigen internationalen Ölfirmen und der venezolanischen Steuerbehörde. Diese fordert von Shell etwa eine Nachzahlung von 130 Millionen Dollar, weil sie einseitig die Abgaben erhöhte. In einem Bereich ist die Bedeutung der internationalen Ölfirmen in Venezuela in den letzten Jahren beständig gewachsen: Fast 40 Prozent des Öls wird von ihren Raffinerien verarbeitet.
Artikel erschienen am Do, 18. August 2005 © WELT.de 1995 – 2005