Germania, pol. interna, Cdu, Spd Die Welt 05-10-16
Nella veste di capogruppo regionale Cdu nel Mecklemburgo-Pomerania, governo nero-rosso, è riuscita a far lavorare assieme il primo ministro Cdu e il suo ministro dell’Economia Spd.
La Csu di Stoiber si presenta come la coscienza sociale dell’Unione.Die Welt 05-10-16
Angela Ohneland
Angela Merkel zieht in das Kanzleramt. Doch den Posten an der Spree hat sie teuer erkauft: Die Themen bestimmt der Männerbund aus SPD-Chef Franz Müntefering und CSU-Chef Edmund Stoiber, während die Kanzlerin in spe in der Ecke steht. Merkel wird um ihren Job bangen wie kein Regierungschef zuvor
Das lauteste an Angela Merkel in der vergangenen Woche war ihr Schweigen. Von links und von rechts trommelten die Demütigungen auf sie ein. "Nicht lebenswirklich", nennt SPD-Chef Franz Müntefering die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin. "Es gibt hier kein klassisches Direktionsrecht", warnt CSU-Chef Edmund Stoiber. Doch wo ein Kanzler Gerhard Schröder womöglich laut "basta" brüllen würde, beißt sich Merkel auf die Lippen. Sie wird ja doch Kanzlerin. Das reicht.
Sie ist es nicht anders gewohnt. Kaum ist eine Hürde übersprungen, türmt sich eine neue auf; so liest sich ihre politische Biographie immer wieder. Grandios waren ihre Siege nie. Jeder weiß das. Und deshalb versuchen Müntefering und Stoiber, sich die baldige Regierungschefin kleiner und erträglicher zu machen. Egal, wer unter mir Kanzler ist, lautet ihrer beider Botschaft. Noch im August ließ der SPD-Parteichef verbreiten, "Merkel ist nur zweite Liga".
Die erste Runde des Regierungspokers geht an das Männerduo. Noch nicht im Amt, sieht sich Merkel bereits einem Kabinett gegenüber, das die Reformpläne der CDU-Parteichefin so schätzt wie der Bauer Hagel im August. Die vergangene Woche, in der Merkel zur Kanzlerin gekürt wurde, in der sie in die erste Politliga aufstieg, begann schlecht.
Merkel betritt am Montag morgen grimmig das Adenauerhaus. Zwar hat die SPD ihr beim Sondierungstreffen am Abend zuvor die Kanzlerkrone zugesprochen. Jetzt aber muß sie den eigenen Parteigremien erklären, warum die CDU nur vier Ministerien stellt. Warum die SPD das Zugriffsrecht auf Kabinettsposten erhält. Warum das Unions-Regierungsprogramm Vergangenheit ist. "Sektkorken haben nicht geknallt", sagt ein Präsidiumsmitglied.
Gegen Mittag tritt Merkel vor die Presse. "Wie fühlen Sie sich?" fragt eine britische Journalistin. "Erstens, es geht mir gut", entgegnet Merkel. "Zweitens, ich glaube, daß sehr, sehr viel Arbeit vor uns liegt." Eine dänische Kollegin insistiert. "Sind Sie glücklich?" Es wäre ja ganz schlimm, antwortet Merkel, wenn sie jetzt griesgrämig wäre. Die ganze Woche über wird zu lesen sein, Merkel zeige kein Gefühl, sie sei kalt. Im Radio werden immer wieder zum Ulk die Merkelsätze gesendet – dabei hat sie lediglich gesagt, es gehe ihr gut.
Das reicht nicht, denn an Merkel werden immer höhere Maßstäbe angelegt als an andere: Sie als Frau, unken viele, müsse doch besonders emotional sein. Hätte die kommende Kanzlerin am Montag geweint vor Glück, so mancher hätte es mit Wohlwollen gesehen. Um so garstiger dann die Reaktionen, als ihre Augen trocken blieben. An Merkel brechen sich Klischees, die man anderen Politikern gar nicht erst andichtet. Ständig wird über sie zum Beispiel orakelt, was sie denn mit der Macht anstellen will. Hat man jemals Müntefering oder Stoiber um Auskunft darüber gebeten, was sie damit wollen?
Nach außen schweigen, nach innen beschwören. Wird Merkel angegriffen, versucht sie stets, solche Initiativen durch Schweigen ins Leere laufen zu lassen. So hielt sie es mit Kanzler Gerhard Schröder, als der sie am Wahlabend anblaffte, "Sie werden es nicht" – und nun doch seinen Chefsessel räumt. Und so hält sie es mit Müntefering und Stoiber. Nach innen aber, da kämpft Merkel um Geschlossenheit in allen Reihen.
Am Dienstag mittag fleht sie die eigene Fraktion an. Man möge bitte nicht vor dem Ende der Koalitionsverhandlungen, ruft Merkel, noch weitere Unionspositionen öffentlich zur Disposition stellen – wie es mit dem Streichen von Feiertagszuschlägen und der Lockerung des Kündigungsschutzes geschah. Unter den Parlamentariern herrscht Katzenjammer. "Sie wollte unbedingt die Kanzlerschaft", mosert einer aus Süddeutschland. "Dafür hat sie ohne Not und vorschnell Unionspfründe preisgegeben." Applaus erhält Merkel während der Sitzung nicht. Aber Kritik äußern die Abgeordneten nur anschließend: anonym gegenüber Journalisten. Merkel lächelt.
Das war ihr nach dem 18. September erst einmal verlorengegangen, ihre Stimme klang brüchig, und der Blick schien fahrig. Jetzt, nach der Fraktionssitzung im Reichstag, steht sie scherzend mit CDU-Generalsekretär Volker Kauder am Podium. Sie lacht und tuschelt. Kauder dagegen schaut angestrengt auf den Boden. Er weiß: Seinen Lieblingsjob als Kanzleramtsminister erhält er nicht. Seine Chefin braucht ihn als Vorsitzenden in der Fraktion: 448 Abgeordnete einer großen Koalition müssen auf sie eingeschworen werden. Kauders Augen verengen sich. Merkels Zukunft als Kanzlerin bleibt nämlich ungewiß.
Die SPD zieht gerade eine Brandmauer gegen die Linkspartei hoch. Die CSU geriert sich als soziales Gewissen in der Union. Und die Unions-Ministerpräsidenten bleiben in Lauerstellung, warten auf einen Stolper von Merkel, der schnell ihr letzter sein könnte. "Merkel hat eine Chance, wenn sie vier Jahre lang regiert", sagt Dagmar Schipanski, ihre Weggefährtin und CDU-Präsidiumsmitglied. Ein anderer Präside: "Scheitert die Koalition früh, ist Merkel weg." Das wissen die Unions-Länderchefs. Für Christian Wulff, Roland Koch, Peter Müller und Günther Oettinger wäre ein schnelles Aus des schwarz-roten Bündnisses die Chance zum Aufstieg. Merkels Schicksal entscheidet sich also damit, wie gut sie es versteht, die Ministerpräsidenten einzubinden. Schon einmal hat Merkel einige
s Geschick im Managen einer großen Koalition bewiesen.
Als CDU-Landesvorsitzende Mecklenburg-Vorpommerns brachte sie in den neunziger Jahren immer wieder den CDU-Ministerpräsidenten Bernd Seite und seinen mit ihm zerstrittenen SPD-Wirtschaftsminister Harald Ringstorff an einen Tisch. Der damalige Koalitionär äußerte sich 1998 zufrieden über Merkel: "Mit ihr kann man Dinge besser und konkreter besprechen als mit Herrn Seite." Georg Brunnhuber, Chef der baden-württembergischen Landesgruppe im Bundestag, über die Integrationskraft seiner Chefin: "Angela Merkels Stärke ist, daß sie nicht ideologisch festgelegt ist."
Doch wer in Merkel nur bloßes Machtkalkül vermutet, irrt. Sicherlich eignet sie sich als pragmatische Managerin einer großen Koalition. Kann sie doch gut zuhören, sucht gern den Kompromiß – und wird als promovierte Physikerin die Entwicklungen des sensiblen Kräfteparallelogramms in der Regierung kaum aus den Augen verlieren. Von ihrem kühnen Traum, die Republik in ihren Grundfesten zu verändern, läßt Merkel indes nicht ab.
Weg von staatlicher Verantwortung und hin zu privater Initiative, mehr Wettbewerb statt Verteilungsstillstand – diese Punkte bilden auch weiterhin Merkels Agenda, wenn auch eine in der großen Koalition weithin verdeckte. Merkel wollte im Wahlkampf die CDU ändern, sie wollte die junge urbane Elite für sich gewinnen und die Union auf mehr Liberalität trimmen. Und sie wurde durch den Urnengang am 18. September dafür bitter bestraft. Ändern wird sich Merkel aber nicht. Wie auch: Die Rolle einer urkonservativen und frohgemuten Apologetin des rheinischen Kapitalismus würde ihr sowieso keiner abnehmen.
In der letzten Wahlkampfwoche plakatierte die Union ihre Spitzenkandidatin großflächig unter dem Slogan "Ein neuer Anfang". Den wird es mit der Herrenriege rund um Müntefering und Stoiber so schnell nicht geben. "Strukturkonservative", unkt FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt über die neue Regierung. Merkel jongliert nun mit ihrem Wortschatz. Sie spricht jetzt von der "Koalition der neuen Möglichkeiten". Sie mag das Wort "neu". Dabei kann sie nur hoffen, daß sie nicht zu schnell stürzt. Einmal im Kanzleramt, so hofft Merkel, wird sich ihre Position endlich festigen.
Denn die Geschichte der Politik kennt ein simples Gesetz: Macht macht Macht. Bis zum Kanzleramt hat es die Uckermärkerin mittlerweile geschafft. Mit jedem Tag dort wachsen Einfluß und Anhängerschar – und die Chancen, sich im Amt zu halten. Trotz fehlender Tränen zu Anfang. Jan Rübel
Artikel erschienen am 16. Oktober 2005 © WAMS.de 1995 – 2005